Wie früh sollten Kinder eine zweite Sprache lernen?

Ob in der ersten Grundschulklasse oder sogar schon im Kindergarten – für viele Eltern kann der Fremdsprachenunterricht bei ihren Sprösslingen gar nicht schnell genug beginnen. Und tatsächlich deuten inzwischen zahlreiche Studien darauf hin, dass es von Vorteil sein kann, wenn Kinder schon früh mit einer zweiten Sprache in Berührung kommen. Das Motto "je früher, desto besser" gilt allerdings nicht immer, mahnen Experten.

Inzwischen sehen Experten das Thema Sprachenlernen ganz anders. "Die Annahme, Zweisprachigkeit sei schädlich, ist Unsinn", sagt Frank Königs, Professor für Allgemeine Didaktik und Sprachlehrforschung sowie Leiter des Informationszentrums für Fremdsprachenforschung an der Universität Marburg. Kinder könnten problemlos mit zwei Sprachen aufwachsen und würden mitunter sogar beeindruckende Kompetenzen entwickeln.

Dieser Artikel ist der erste Teil unserer neuen Serie "Schule und Lernen", die wir in den kommenden Wochen auf "Spektrum.de" fortsetzen werden.

Von Entwicklungsvorsprüngen im Denken und Handeln bis hin zu mehr Einfühlungsvermögen gegenüber anderen Menschen: Die Vorzüge der Zweisprachigkeit im Kindesalter sind breit gefächert, wie die Forschung in den vergangenen Jahren immer wieder zeigte. Das Fazit aktueller Übersichtsarbeiten mit dutzenden Forschungsbefunden: Die Kinder können nur gewinnen. In vielen Tests schneiden sie besser ab als Gleichaltrige, zumindest aber gleich gut. Schaden verursacht der doppelte Input in aller Regel nicht.

Entgegen der Befürchtungen früherer Sprachforscher hat Zweisprachigkeit zum Beispiel keinen negativen Einfluss auf die Intelligenz der Kinder. Sie bleiben weder in ihrer Entwicklung zurück, noch sind sie besonders häufig Überflieger. Einzelne Studien weisen allerdings daraufhin, dass der frühe Kontakt mit zwei Sprachen die Gedächtnisleistung positiv beeinflussen kann. Vereinzelt berichten Forscher auch darüber, dass bilinguale Kinder besser ihr eigenes Denken reflektieren können – also das, was in ihrem Kopf vorgeht –, wenn sie die Vokabeln und Grammatik einer Sprache lernen. Sie sind sich ihrer Lernstrategien eher bewusst als einsprachige Kinder.

Zweisprachigkeit verbessert die Aufmerksamkeit

Neurowissenschaftliche Studien zeigen zudem, dass schon kleinste Kontakte mit einer anderen Sprache im Gehirn der Kinder sichtbar werden. In einem Experiment etwa wurden neun Monate alte Kinder, die in einem englischsprachigen Haushalt aufwuchsen, einen Monat lang in ihrem Alltag auf Spanisch angesprochen. Vorher und nachher untersuchten Forscher mit einem Elektroenzephalogramm die Reaktionen des Gehirns auf die beiden Sprachen. Während die Kinder zuvor keine besondere Reaktion auf spanische Laute zeigten, wohl aber auf englische, reagierte ihr Gehirn nach dem einen Monat mit spanischer Ansprache ähnlich wie zuvor auf englische Laute. Und: Sie verarbeiteten die muttersprachlichen Laute sogar schneller als bei der ersten Messung.

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